“Steppengolf” – Ist der Golf Country wirklich "Born to be Wild"?
Veröffentlicht am 15.12.2015 von LexiCar Noch keine Kommentare
Der Golf Country war das erste SUV von Volkswagen – noch bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Noch dazu ist er mit 7.735 gebauten Einheiten der schlechtverkaufteste Golf aller Zeiten. Wir werfen einen Blick zurück auf ein Auto, das im Gelände eher mäßig, seiner Zeit jedoch weit voraus war.
Im Jahr 1989 debütierte auf dem Genfer Autosalon das erste SUV - Made in Germany. Zumindest teilweise, denn die erste Fahrt eines jeden Golf II Country führt ins 931 Kilometer entfernte Graz. Erst hier wurden bei der Firma Steyr aus normalen Limousinen des Synchro-Golfs die Geländevarianten gezimmert. Dazu zogen die Österreicher dem kleinen Golf ordentlich die Hammelbeine lang:
Unter den Aufbau kommt ein Leiterrahmen aus Stahlrohren, an dem andere Federn und Dämpfer befestigt sind. So wächst der Gelände-Golf um 18 Zentimeter in die Höhe, die Bodenfreiheit wird aber nur um sechs Zentimeter erhöht, da Motor, Differenzial und Unterfahrschutz viel Platz beanspruchen. Dazu gesellten sich noch ein Ersatzrad, das wie bei einem richtigen Jeep an der Heckklappe sitzt und für 90er-Jahre-Grausamkeiten, wie Airbrush-Gemälde von Wölfen und Pferden ausreichend Fläche bietet, sowie ein stabiler Frontbügel. Richtige Gelände-Utensilien, wie eine Differentialsperre oder Geländeuntersetzung findet sich am Stelzengolf allerdings nicht. Bei diesem Fahrzeug ging es eher ums Auffallen.

Weil noch auf der Messe erste Bestellanfragen eintreffen, entscheidet sich VW zum Serienbau der Studie, die damals noch „Montana“ heißt. Rund 14.000 Exemplare sollen in den ersten drei Jahren für Preise zwischen 32.200 und rund 42.000 DM an den Mann gebracht werden.
Als Kundschaft hat VW sowohl berufliche Nutzer, wie Förster und Waldarbeiter, als auch Privatleute mit Outdoor-Freizeitinteressen im Auge. Doch denen ist das Gefährt entweder nicht geländetauglich genug oder für den Alltag zu außergewöhnlich. Erst 25 Jahre nach dem Golf Country zeigt sich, dass es sehr wohl einen großen Markt für teure Geländefahrzeuge gibt, die nicht fürs Gelände geeignet sind. Damals allerdings schlagen bei den relativ hohen Preisen nur so wenige zu, dass VW mit dem Sondermodell „Allround“ den Einstiegspreis auf 31.825 Euro senken muss.
Verschiedene Modelle des Golf Country
Das Sparmodell „Allround“ gibt es ausschließlich in Waldgrün und ohne hintere Kopfstützen. Gespart wurde auch an den Rädern, die hier aus Stahl sind. Der Innenraum unterscheidet sich durch schwarzes Kunstleder an Türen und Sitzen, sowie einem Dreispeichen-Lenkrad von der Normalversion. Der Billigheimer unter den Gelände-Gölfen machte mit nur 160 produzierten Fahrzeugen allerdings auch nur einen Bruchteil der Produktion aus. Die meisten Käufer entschieden sich für das normale Modell. Dieser hat, wie auch der Allround den 72-Kw-Motor aus dem Golf CL Synchro.
Neben Grün kann man hier auch die Farben Rot, Schwarz, Blau und Hellgrünmetallic (Montanagrün) wählen. Letztere ziert wohl die meisten Exemplare. Im Innenraum kommt das, ebenfalls aus dem Golf CL bekannte, Streifenmuster des grauen „Montanakaro“ genannten Stoffs zum Einsatz.
Das seltene Modell "Allround" besticht mit Stahlrädern und Kunstleder.
Auf eine andere Käuferschicht zielte das 1991er Chrom-Sondermodell. Dieser wird ausschließlich in Schwarz produziert, wodurch sich der verchromte Bullenfänger vorne am besten absetzt. Innen gibt es echtes Leder in Schwarz oder Creme.
Das wertvolle Gestühl kann man hier mittels des elektrischen Faltdachs von Webasto auch von der Sonne bescheinen lassen. Für den soften Geländewagen ohne Sperrdifferenzial und Untersetzung rufen die Wolfsburger lifestylige 42.060 DM auf – für diesen Preis hat Mercedes schon einen „Baby-Benz“, den 190 E 2.3 im Schaufenster stehen. Immerhin 558 Personen gönnen sich den Luxus derartiger Exklusivität. Noch seltener sind nur die GTI-Modelle, die sogenannte „Wolfsburg-Edition“, von denen nur 50 Stück entstanden. Nur Mitarbeiter von VW konnten die schnelle Variante des Country mit dem Motor aus dem Golf GTI ordern, der in der KAT-Variante immerhin 107 PS statt 98 PS an Leistung bot.
Nach nicht einmal zwei Jahren Bauzeit endet die Herstellung im Oktober 1991 nach exakt 7735 Fahrzeugen. Der nächste nicht-militärische Geländewagen von VW folgt erst 16 Jahre später: Mit dem Tiguan liegt der Konzern dieses Mal aber wieder gewohnt richtig: Das Auto wird zum Erfolg.
Schwachstellen und Preise
Wie auch der normale Golf, verfügt der Country über erstaunliche Nehmer-Qualitäten. Das an sich robuste Blech wurde ab Werk mit Hohlraumschutz geflutet. Wegen seiner mäßigen Gelände-Eigenschaften wurden die Exemplare auch nicht alle totgeritten, wenn auch ein Großteil im Forsteinsatz gestanden haben dürfte. Der 1.8-Liter-Motor, der ja ebenfalls aus dem Serien-Golf stammt, ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und ein wahrer Dauerläufer. Da die meisten Teile aus der Serie stammen, sind die meisten Ersatzteile leicht verfügbar und außerdem noch sehr günstig.
Einen Nachteil hat das Ganze aber doch: Im Innenraum des Country sieht es aus wie im normalen Golf 2: Das Lenkrad ist Plump, die Bedienelemente und Schalter riesig und wie für Vorschüler ausgelegt. Jeder Knopf gutiert die Bedienung mit einem trockenen Plastik-Knacken, ab und zu fallen sie auch Mal ab. Das Rückstellgeräusch des Blinkerhebels geht durch Mark und Bein und die Haptik aller Teile ist schlichtweg katastrophal. Bei speziellen Teilen der Aufhängung muss manchmal etwas länger gesucht werden. Die günstigsten Modelle, die sich aus eigener Kraft fortbewegen, kosten um 2.000 Euro. Topexemplare werden langsam fünfstellig. Die goldene Mitte bietet mit Fahrzeugen um 5.000 Euro aber noch genügend Möglichkeiten, sich jetzt einen der rarsten Golf-Modelle aller Zeiten zu sichern – Die Gelegenheit ist günstig!
Technische Daten:
• Zylinderzahl: 4 • Hubraum: 1781 ccm • Leistung: 98 PS (72 kW) • Drehmoment: 143 Nm (bei 3000/min) • 0–100 km/h 12,3 s • Vmax: 155 km/ • Schaltung: Fünfgangschaltgetriebe ohne Geländereduktion und permanentem Allradantrieb • Bremsen: vorne Scheiben-, hinten Trommelbremsen • Leergewicht: 1245 kg • Verbrauch: Ca. 11 Liter Normalbenzin • Tankinhalt 55 l h • Neupreis (Normalversion bei Einführung): 33.225 Mark.
Bilder: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen / http://www.vw-golf-country.de/ / „Golf II Sondermodell Country“ von Qflieger - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons / Auto-Medienportal.Net/Volkswagen