Passat 32b : Rar, robust und sehr erschwinglich - Von der Rettung zum perfekten Alltagsklassiker
Veröffentlicht am 5.2.2018 von Dominik 1 Kommentar
Der Passat 32b ist ein Auto für Individualisten: gefällt nicht jedem, hat nicht jeder, überzeugt aber mit soliden Fahrleistungen. Zeit für einen automobilen Selbstversuch.
Ein lustiger und möglichst plastikfreier Zweitwagen sollte es sein, gerne Klassiker zum Selbstzweck, aber eben auch hauptsächlich zum Fahren - und das im Notfall auch mal bei Wind und Wetter. Da eigentlich alle Mercedes-Benz E-Klassen von 1974 bis Baujahr 1996 auf meiner Automobil-Liste bereits in den letzten 12 Jahren abgehakt wurden, sollte es zur Abwechslung etwas ohne Stern auf dem Bug sein - aber was?
Ein kurzes Kramen in frühkindlichen Erinnerungen förderte einen dunkelgrünen Schrägheck-Passat zu Tage, den wir um 1996 aus irgend einem Grund besaßen.

Ich war wohl knapp 10 Jahre alt und erinnere mich noch an das dumpfe Ploppen, welches entstand, als ich einen Fussball versehentlich gegen die linke Nebelleuchten-Atrappe schoss. Die lädierte Leuchte saß nun ziemlich schief. Au weia. Zum Glück war es nur eine lose Mutter, die man ruckzuck wieder festziehen konnte. Ärger gab es also keinen. Der Passat war eben robust und kindersicher.
Erinnerung stopp.
Obwohl die Umstände dieser Episode unscharf bleiben, hat sich der Passat B2 doch in meinem Kopf festgestzt. Gute Form, gute Technik (und dank Baukasten günstig reparabel) aber vermutlich echt selten geworden, denke ich.
Gibt's sowas überhaupt noch? Ich habe wirklich keine Ahnung, wann ich zum letzten Mal einen Passat 32b, oder Santana in freier Wildbahn gesehen hätte. Ein Blick in die einschlägigen Portale zeigt: Nein, die sind wirklich alle weg - zumindest wenn man ein Vor-Facelift mit Schrägheck sucht. Gepresst, verbraucht, vergessen.
Besonders angetan hat es mir das Modell mit den dreieckigen Rückleuchten, echter Stoßstange und dem zierlichen Grill vorne, welches 1985 beim Facelift dem moderneren VW-Look zum Opfer fiel. Zur Zeit meiner Suche sind derer zwei Exemplare online - beide zu weit entfernt für einen Quick-Check. Aber der Jagdinstinkt ist geweckt - ganz unter dem Motto "Was man nicht haben kann ist immer viel interessanter".
Ich kam sah und kaufte
Monate später: Der einzige wirklich interessante Kandidat fällt mir unter einigen Variants immer wieder ins Auge. Es handelt sich um ein 81er Schrägheck.
Ein rotz-... äääh topasgrüner (oder wars doch Inarisilber?) 1.6 Liter, immerhin Schalter mit erst 125.000 Kilometern auf dem Tacho, Ausstattung: S, das bedeutet soviel wie "S"eeehr wenig. Besser gesagt sogar eher gar nichts, denn außer einem Radio ist nichts an Bord, was den Namen "Ausstattung" verdienen würde - es gibt nicht einmal einen rechten Außenspiegel - wie geil!
Das einzige, was an diesem Entertainment-System gut klingt ist übrigens der Name ("Dortmund 2") - das Radio selbst bleibt bis auf leises Knistern stumm, wie ich später feststellen sollte.
Der Text des Inserats ebenso spärlich: Guter Zustand. TÜV neu auf WÜnsch. Das ist alles.
"TÜV neu auf Wünsch" klingt einerseits, als habe der Verkäufer einen guten Sinn für knackige Alliterationen, andererseits als ob das Auto substanziell nicht allzu schlecht wäre - und das bei einem geforderten Preis von nur 1.900 Euro. Also nehme ich die 150 Kilometer lange Anreise in Kauf.
Vor Ort (natürlich ein tristes Industriegebiet) erwarte ich keine Wunder, bin aber doch ein wenig enttäuscht. Das Auto steht vermutlich schon seit vielen Monaten (immerhin einigermaßen trocken) unter einem Carport und ist erstens komplett mit seltsam klebrigem Mock überzogen und zweitens bereits ein wenig in den erdigen Untergrund eingesunken (das Foto oben wurde erst nach der Probefahrt gemacht).
Darunter finden sich die Reste einer mehr als halbherzigen Politur und ein vergessenes altes Preisschild: 3.500,- Euro... eine gewagte Forderung angesichts des angegammelten Radlaufs und des schlecht lackierten Seitenteils. Naja, nun soll er ja nur noch die Hälfte kosten.
Passabler Passat
Mit Starthilfe und etwas Orgeln kommt neuer (alter) Sprit in die wüstentrockenen Schwimmerkammern und das Triebwerk einigermaßen willig in Gang. Ein Lebenszeichen. Der Auspuff hustet massig weißen Rauch aus dem katlosen Endrohr - Habemus Passatam? Immerhin - er lebt!
Bei der kurzen Probefahrt und anschließender Begutachtung wird klar: Das Auto ist zwar massiv verwahrlost aber in der Substanz nicht wirklich schlecht. Rost findet sich am hinteren Radlauf rechts, daneben ein leichter brauner Schimmer an der Unterkante der Fahrertür.
Hinten hat ein Meisterlackierer mit Glaukom mit im falschen Ton beigepinselt und auf einigen Rostpickelchen finden sich die typischen Rentner-"Reparaturen" - gut gemeint, katastrophal umgesetzt (komisch, dabei haben die doch so viel Zeit?).
Wirklich gut sind hingegen der notorisch nasse Ablaufkasten (der gerne zum Brutkasten der brauen Pest wird) unter der Windschutzscheibe, Türunterkanten, Heckklappe und Kotflügel und Schweller sowie alles was man unter dem dicken Bitumen zu sehen bekommt - ein wenig schmutzig aber gesund.
Die Technik sieht hingegen überraschend sauber aus - abgerundet von einem brandneuen Auspuff mit uralten Gummiringen und teilweise mit Draht fixiert. Jemand wusste also nicht genau was er mit dem Auto wollte - pflegen oder pfuschen - oder, wie frei nach Howard Carpendale Fremde oder Freunde? Innen gibt's ebenfalls Handlungsbedarf:
Die Rückbank ist von der Sonne verbrannt, das Armaturenbrett an den typischen Stellen gesplittert. (Achtung mein neuer Lieblingssatz:) Vorne zeigt sich das taiga-braune Punktstreifenverlours "Saiga" des Passats passabel.
Und es gibt noch mehr Gutes zu vermelden: Die raren Gummis der Scheiben und Türen sind bis auf die geschrumpften Fenterschachtleisten ok, der Himmel sauber und hängt nicht durch und der Motor springt auch bei -10 Grad zuverlässig an und läuft kraftvoll ohne Ölverbrauch (wie sich später zeigen wird) - die wenigen Kilometer auf dem Tacho sind wohl echt.
Der Passat muss also gerettet werden und ganz schnell vom Hof - so viel ist klar. Das sieht der Händler ebenso. Nach kurzer Verhandlung ist man sich einig und der VW rollt für einen zustandsgerechten Obulus auf den Trailer.
Nun gilt es, den Rohdiamanten zu schleifen - also halte ich es wie Walter Fisch und tue Gutes und rede darüber:
Mit neuem Verteiler, Zündkabeln und Kerzen springt der Motor gleich viel besser an und hängt ordentlich am Gas. Dazu kommen Einstellung von Zündzeitpunkt und Vergaser, neuer Luftfilter, Traggelenke, Keilriemen, Achsmanschette, Zahnriemen und Ölwechsel.
Links sind beide Manschetten der Antriebswelle fertig und haben ein Fett-Massaker im Radhaus angerichtet - das sieht der TÜV nicht gerne.
Also wird die Welle gezogen (was hier nach dem Lösen der zentralen Mutter und der sechs Schrauben am Getriebe wirklich einfach geht). Bei dieser Gelegenheit werden beide Lager gesäubert und mit neuem Fett erfrischt (unten sieht man den abgezogenen Lagerkorb des Gelenks).

Irgendwann räume ich Mal auf - einfach nur zum Spaß
Am 32b zu schrauben macht wirklich Laune wie Flachköpper auf Korsika: alles ist gut zugänglich und vor allem günstig. Für die Reparaturen in Eigenleistung stehen keine 350 Euro auf der Rechnung. Dazu kommen TÜV und H-Kennzeichen, die der tapfere Passat nach wenigen Werkstatt-Stunden bereits im ersten Anlauf besteht.
Die ersten Testfahrten verlaufen vielversprechend: Sogar mit dem kleinen 1.6-Liter-Motor läuft der Passat spritzig und schwimmt gut im Verkehr mit. Da er vermutlich (beide Vorbesitzer waren vor 1940 geboren) nie schneller als 100 Km/h lief, wird er in den nächsten Wochen wieder behutsam an höhere Drehzahlen "gewöhnt".
Auf meiner Pendenzenliste steht noch: Radio in Gang bringen, hübsche Alufelgen samt neuen Rädern (kennt jemand schöne Felgen mit Gutachten für den B2?) und natürlich die Rostbeseitigung am hinteren Radlauf mit Beilackierung des Seitenteils.
Dazu kommen trübe und abgeplitterte Zierleisten (nicht mehr zu bekommen), ein defekter Tankgeber und ein gerissenes Armaturenbrett, das es zu ersetzen gilt. Ansonsten soll der Schrägheck-Veteran natürlich so original wie möglich bleiben.
Anders gesagt: So gut wie er derzeit Nachts aussieht, soll er bald auch mit Tageslicht aussehen.
Mein bisheriges Fazit nach ein paar Alltags-Einsätzen: Der Passat 32b ist ein perfekte Alltagsklassiker. Sparsam im Verbrauch, günstige Ersatzteile und sehr schrauberfreundlich. Für Teile, die man heute nicht mehr bekommt (Zierteile, Ausstattungen, Tankgeber, Gummies) gibt es eine große Fangemeinde, unter der man sich gerne hilft.
Immerhin dürfte er einer der seltensten Oldtimer auf Deutschlands Straßen sein. Umdrehen wird sich trotzdem kaum einer nach ihm - und genau deshalb mag ich das Auto so!