Magic Touch und das Knight-Rider-Gefühl - Der Buick Reatta hatte das erste serienmäßige Touchscreen
Veröffentlicht am 8.5.2018 von Dominik Noch keine Kommentare
Im Jahr 1988 debütierte mit dem Buick Reatta das erste Auto mit Touchscreen in der Mittelkonsole - und das sogar serienmäßig. Doch trotzdem konnte sich der Zweisitzer kaum durchsetzen.
"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" heißt es in Hermann Hesses Gedicht "Stufen". Ein Satz, der sicher auch auf das Armaturenbrett des Buick Reatta gepasst hätte. Denn die Myriaden von Einstellungsmöglichkeiten an der zeitgerecht kerngrün strahlenden LCD-Glotze in der Mittelkonsole bringen noch heute die Augen von Mäusekino-Begeisterten und Ex-C64-Besitzern zum leuchten.
Rückblick: Es ist das Jahr 1988 und Buick bringt mit dem flachen Zweisitzer mit dem etwas sperrigen Namen "Reatta" sechs Jahre nach Erstausstrahlung von Knight Rider endlich ein Auto, das den Fahrer in den minzfrischen Wind von Hightech des neuen Jahrtausends hüllt.
Zwar sind digitale Anzeigen Ende der Achziger Jahre bei Autos bereits ein alter Hut (sogar in Europa informiert der Opel Monza digital), aber hier kann das Display erstmals nicht mit schnöden Schaltern, sondern einfach mit den Fingern bedient werden.
Dazu kam eine Benutzeroberfläche, die herrlich schön kompliziert nach MS Dos und Turbopascal aussah - sprich das Auto umwehte der Duft dessen, was man sich unter der Zukunft im nicht mehr fernen Jahr 2000 vorstellen mochte.
Bereits aus dem Riviera bekannt
Allerdings war der Reatta nicht, wie oft fälschlich erwähnt, das erste Fahrzeug mit diesem System. Das "CRT" war auf Wunsch bereits 1986 im Buick Riviera erhältlich.
Auch hier wurden Soundsystem (natürlich mit Graphic Equalizer), Klimaanlage, persönlicher Organizer und On-Bord-Diagnose zentral über das Mittelelement gesteuert, wobei jeder Tastendruck mit einem sagenhaft durchdringenden Casio-Uhrenpiepston unterlegt war. Hardware-seitig sorgten dabei zwei 8-Bit-Riegel für die nötige Rechenleistung.
Technik des Reatta
Apropos Leistung: Unter der Haube schlummerte ein alter aber bewährter Grauguss-V6 (quer) mit Zweiventil-Technik und eine Viergang-Automatik. Der Antrieb schickte 167 PS an die Vorderräder, hatte aber mit den mehr als 1500 Kilogramm Leergewicht des Zweisitzers (trotz Plastik-Kotflügeln) zu kämpfen.

So erreichte der Wagen im Spurt von 0-100 Km/h einen Wert von 10,6 Sekunden - für einen Sportwagen nur befriedigend. Dazu kamen recht schlappe Bremsen, die bereits damals in der Fachpresse moniert worden waren.
Schlechte Verkaufszahlen
Doch obwohl das Auto im großen und ganzen nicht schlecht (und mit rund 25.000 Dollar nicht einmal teuer) war, verkaufte sich der Reatta nur mäßig. Das Coupé mit aufwendiger Elektronik und fast schon japanischem Design mit Klappscheinwerfern gefiel den eher konservativen Buick-Käufern schlichtweg nicht.
Der seltsame Name "Reatta" hat übrigens keinen maritimen Hintergrund - vielmehr handelt es sich wohl um die umgangssprachliche Bezeichnung eines Lassos.
Auch die Cabriolet-Variante, die es ab 1990 zu kaufen gab, konnte die Verkaufszahlen nicht ankurbeln. Nach Europa gelangten aufgrund des hierzulande recht hohen Preises und der geringen Bekanntheit der Marke hingegen so gut wie gar keine Exemplare. Auch das Touchscreen hatte vorerst keine rosige Zukunft: Aufgrund der komplizierte Bedienung des Displays mit seinen Untermenüs waren viele Benutzer überfordert und vom Verkehr abgelenkt, weshalb es sang und klanglos wieder verschwand.
So ist der Buick Reatta mit nur knapp 22.000 gebauten Einheiten (davon nicht einmal 2.500 Cabriolets) heute nicht nur ein seltener Klassiker, sondern auch ein fast vergessenes Puzzleteil der Geschichte der amerikanischen Automobilentwicklung.
Fotos: Buick