LexiCar goes Rallye - Der Audi 100 wird fitgeschraubt
Veröffentlicht am 7.7.2016 von D. Helmling Noch keine Kommentare
In wenigen Tagen startet das "Team LexiCar" zur Rallye München-Barcelona. Höchste Zeit also, unseren 370-Euro-Audi für die beschwerliche Reise fit zu machen. In dieser Woche kümmerten wir uns unter anderem um das marode Fahrwerk des greisen Ingolstädters.
"Zeit dass sich was dreht" postuliert Herbert Grönemeyer in seinem gleichnamigen Song zur Fussball-WM 2006. Für uns ist die Aussage des Deutschpop-Barden nicht nur wegen der laufenden Europameisterschaft aktueller denn je, denn schon in weniger als zwei Wochen beginnt die legendäre Rallye München Barcelona. Zeit also, dass sich was dreht - und zwar am besten die Reifen unseres betagten automobilen Spontankaufs, mit dem wir die 4.000 Kilometer möglichst pannenfrei absolvieren wollen.
Nachdem wir den abgegrabbelten C4 für magere 370,- Euro in der Nähe von Darmstadt geschossen hatten, waren die Rallye-Vorbereitungen in den letzten Wochen zugegebenermaßen etwas in den Hintergrund getreten. Kurz vor dem Start in zwei Wochen ging deshalb ein kollektives "Huch, is' schon soweit" durch die Redaktion. Jetzt ist es tatsächlich höchste Eisenbahn, Schraubenschlüssel und Lötkolben zu schwingen, denn Mängel bietet der alte Audi in Hülle und Fülle.
Großer Service, frisches Fahrwerk und Lötkolbenmassaker
Zum Warmwerden sollten die Innereien des Audi von allen gammeligen Ölen und Flüssigkeiten befreit werden, die als zäher Uralt-Sirup seit Jahrzehnten in jedwedem Behältnis des Audis mäandrieren. Hier schaltete sich glücklicherweise das Offenbacher Autohaus M.A.X. ein, die dem Rallye-Audi mit einem Azubi-Projekt eine komplette Frischzellenkur verpassten. Dabei wurden sämtliche Öle, Flüssigkeiten, Riemen und Filter für uns gewechselt - An dieser Stelle deshalb nochmal ein herzliches Dankeschön an die Jungs für den großen Service.
Unglaublich, was allein dieser Eingriff aus dem Audi gemacht hat, denke ich auf der kurzen Fahrt von Offenbach nach Fechenheim. Mit neuem Blut in den Adern gleite ich seidenweich im 100er durch den Stadtverkehr. Der Audi fühlt sich schon wieder ein bisschen nach jener gehobenen Mittelklasse an, die er einst verkörperte. Der Motor läuft ruhig wie eine Rolex, zieht sauber durch und zeigt wieder einmal, wie langlebig und gut Autos aus den 90er Jahren einfach sind. Einzig die rubbelnden Bremsen und das labbrige Fahrwerk trüben den Fahrspaß noch ein wenig.
Als nächstes war es also an der Zeit, sich um die seltsame Straßenlage des Wagens zu kümmern. Bereits bei der Testfahrt war uns aufgefallen, dass das Auto wie auf rohen Eiern um die Kurven wackelte und ebenso madig verzögerte. Im Verdacht waren die Spurstangenköpfe, an die aufgrund der falsch eingestellen Spur sowieso Hand angelegt werden musste.
Bereits der Versuch, die Radbolzen zu lösen offenbarte dabei, dass sich sämtliche Komponenten des Fahrwerks zu einer einzigen stabilen Rostmasse verklumpt hatte. Mit einem zwei Meter langen Hebel gaben die Schrauben schließlich jammernd und quietschend auf und gaben den Blick auf das verweste Fahrwerk frei.
Doch beide Spurstangenköpfe hatten ihren Lenkstangen wohl die ewige Treue geschworen, frei nach dem Motto "Was Audi verbindet, soll der Mensch nicht trennen" - Muss er aber.
Mit einem passenden Abzieher kam der Kopf dann samt Spurstange raus und konnte auf dem Schraubstock mit dem Einsatz von viel Flutschi und ordentlich Gewalt endlich abgedreht werden. Jetzt zeigte sich, dass der Eingriff nicht sinnlos war: Beide Köpfe waren mächtig ausgeschlagen und weich wie Pudding.
Eigentlich wollten wir die Bremsen unangetastet lassen, weil Scheiben und Klötze zwar uralt, aber noch von ausreichender Stärke waren. Doch weil nun eh alles so schön auseinander geschraubt ist und die Ersatzteile günstig sind, werden Bremsen und Scheiben vorne noch schnell mit getauscht.
Da wir nun schon gut im Flow sind, stellen wir den Auto flugs wieder auf die eigenen vier Beine. Für das Einstellen der Spur und das Aufziehen neuer Reifen dürfen später die Profis ran. Als nächstes gilt es erst noch, die marode Ventildeckeldichtung zu erneuern. Wie bei vielen Audis und VW mit geneigtem Block, tröpfelt es hier ab und zu auf den Krümmer, was zu unschönem Ölgeruch im Innenraum führt. Die Uhr zeigt mittlerweile halb Neun, die Beine werden langsam müde, weshalb ich mich spute und die neue Dichtung im Eilverfahren draufklatsche - was sich später natürlich noch rächen wird. Also Haube zu und erst Mal das Feierabendbier auspacken.
Am nächsten Tag
Mit neuer Energie geht der Schrauber-Marathon in die nächste Phase: Heute stehen Zündung und die Elektrik auf dem Programm. Die alten Zündkabel sind wohl noch die ersten und könnten schon die Funken des Urknalls übertragen haben. Es ist schon interessant, wie so etwas nach 20 Jahren aussehen kann: Vom eigentlichen Kabel ist nur noch ein grüner Klumpen Staub übrig, der in seiner Konsistenz an ein bröseliges französisches Baiser erinnert.
Also wird Fix der Verteiler abgezogen, wo bereits die nächste Überraschung wartet: Der Verteilerfinger sitzt fest wie Bolle. Selbst mit roher Gewalt tut sich gar nichts. Die Lösung ist kurz und schmerzvoll: Unter einem leisen Knacken zersplittert der alte Kunststoff in Tausende Einzelteile und verteilt sich im Gehäuse. Na spitze.
Nachdem das Gehäuse ausgesaugt ist, geht der Rest ganz einfach: Neuen Finger und Kappe einsetzen, neu verkabeln - fertig. Beim anschließenden Test will der 2.0-Liter allerdings nicht mehr anspringen. Schweißperlen bilden sich auf der Stirn - Zündfolge vertauscht? Nach fünf Minuten Panik und hektischem Googlen nach Audi-100-Zündfolgen, sowie ungläubigem Nachkontrollieren der Kabel, entdecke ich auf dem Tisch einen kleinen roten Gegenstand. Durch die Sache mit dem Staubsauger hatte ich ganz einfach vergessen den Verteilerfinger einzusetzen - und das vor den Kollegen, die gerade gekommen sind, um mein Werk in Augenschein zu nehmen. Peinlich Peinlich. Frisch befingert schnurrt der Audi dann aber wieder zufrieden.
Als nächstes steht eine feine kleine Tüftelei auf dem Programm, die zwar nicht wirklich notwendig, aber sinnvoll ist: Und zwar soll der Kühlerlüfter vorne vom Innenraum aus separat geschaltet werden können. So können wir den Motor im heißen Süden auch im Stand und vor allem nach Ausfall des entsprechenden Relais immernoch kühlen. Da Elektrik und Elektronik für mich als Schreibtischsesselfurzer Bücher mit mehr als sieben Siegeln sind, vertraue ich dabei auf die Anleitung des Profis.
Wir ziehen vom Handschuhfach aus zwei sehr dicke Kabel in den Motorraum (Oberster Pfeil). Hierfür gibt es zum Glück bereits ein Loch mit Gummistopfen. Ein Ende kommt an den praktischerweise gut erreichbaren Pluspol im Motorraum (Mittlerer Pfeil) (Die Batterie sitzt hinten) und eines nach vorne zum Lüfter (Unterster Pfeil).
Dazwischen schalten wir zur Sicherheit noch eine Sicherung, die im Bild auf dem Luftfilterkasten liegt. Nach dem Kappen der Leitung für die Ansteuerung des Lüfters muss alles schön verlötet werden. Dabei liegt vor allem jenes Kabel zum Lüfter an einer Stelle, an der das echt zur Qual wird. Noch dazu wollen sich die dicken Leitungen einfach nicht verbinden und der Lötzinn ergießt sich Tropfenweiße auf den Rahmen. Nach gefühlten 100 Anläufen (schön, wenn man zwei Stunden Arbeit auf drei geschriebene Sätze eindampfen kann) passt die Sache aber endlich - Schweißtreibend, aber Dank unseres Einsatzes bleibt der Motor wohl wenigstens auch im sommerlichen Stadtverkehr von Barcelona kühl.
Als nächstes wird martialisch ein Loch ins Armaturenbrett gesägt, in das später der Schalter eingesetzt wird. Mit einer schicken Alu-Platte und falscher Beschriftung (passend zum Fake-Sperrdifferentialknopf des Vorbesitzers) sieht das schön Mad-Max-mäßig aus - und funktioniert sogar anstandslos.
Jetzt stehen noch ein paar kleiner Rest-Arbeiten auf dem Programm, doch erst einmal soll das Auto zum Einstellen der Spur gefahren werden. Von hieraus erreicht mich eine Kurznachricht gefolgt von einem Bild eines stark qualmenden Audis. Das Auto verliert wohl reichlich Öl, noch dazu ist der Motor zum starken Raucher mutiert, also ab zurück in die Werkstatt. Während ich auf den 100er warte kommt mir wieder Herbert Grönemeyer in den Sinn. Diesmal mit den Songs "Was soll das?", "Halt mich" und "Land unter".
Mit diesem brutalen Cliffhanger verabschieden wir uns erst einmal ins Wochenende. Wie es weiter geht, erfahrt ihr demnächst hier im Rallye-Blog!