Ford Taunus TC „Knudsen“ - Eine Supernase spielt mit den Muskeln
Veröffentlicht am 28.1.2016 von LexiCar 1 Kommentar
Obwohl den Ford Taunus ab 1970 wie kein anderes Auto der Duft nach Viertelmeile, Kaugummi und Stars & Stripes umwehte, blieb ihm jahrelang nur der bittere Beigeschmack der Silbernen Zitrone. Die hatte der Ford Mustang des kleinen Mannes wegen gravierender Neuwagenmängel vom ADAC verliehen bekommen. Heute ist die Nase Kult und erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
Im Jahr 1970 brachte der völlig neukonstruierte Ford Taunus erstmals richtiges Muscle-Car-Feeling auf die Deutschen Straßen. Das lag einerseits am leistungsversprechenden Vorne-Lang-Hinten-Kurz-Design, das Hosenträger-Träger und Käfer-Umsteiger ebenso anlockte wie viele Fahrer mit der damals gerade erfundenen Vorne-Kurz-Hinten-Lang-Frisur (im Volksmund auch VoKuHiLa genannt). Doch obwohl über 1.1 Millionen Exemplare gebaut wurden, verlief die Markteinführung holprig.
Startprobleme des Taunus
Das hessische Mittelgebirge war seit 1939 Synonym für die Marke Ford. Der Taunus stand in der Nachkriegszeit mit der „Badewanne“ P3 ebenso für Vernunft wie für Aufbruch, Wohlstand und Aufstieg. Als der Taunus TC 1970 die Nachfolgemodelle 12M und 15M der letzten
Generation ablöste, kam allerdings zum reinen Nutzwert noch so etwas wie die Entdeckung der Freude am Fahren hinzu. Angeboten wurden Motoren für jeden Fahrertyp: Angefangen bei der 1300-Kubik-Niedrig-Verdichtungs-Spaßbremse mit 55 PS (für Leute, denen Autos eigentlich egal waren). Diese konnten beim Spurt von 0 auf 100 Km/h die maximale Langzeit-Performance ihrer Stoppuhr testen: 23 Sekunden musste der rechte Fuß bleischwer auf dem Pedal lasten, bevor die 100 Km/h erreicht waren – Zeit genug um den laut Guiness Buch der Rekorde kürzesten Song der Welt (You Suffer von Napalm Death) gleich 2,5 Mal anzuhören.
Deutlich dynamischer waren der 2000S sowie die 2.3-Liter-V6-Endstufe mit 108 PS, die aus dem 20M stammte. Dabei waren 1300er und 1600er nun im Gegensatz zum Vorgänger keine V-Motoren mehr, sondern Reihen-Vierzylinder mit obenliegenden Nockenwellen und Querstrom-Zylinderköpfen. Sie basierten auf dem Triebwerk des Ford Pinto und liefen zwar etwas rauer, waren jedoch mit minimaler Pflege zufrieden. Bis auf den kleinsten Antrieb im Programm konnten alle Motoren mit 3-Gang-Automatik geordert werden.
Doch an der schlappen Basis-Motorisierung nahm niemand Anstoß. Fachvertreter und Presse kritisierten eher die schlechte Verarbeitung der ersten Modelle sowie die trampelnde Hinterachse. Außerdem kontrovers diskutiert: ein besonders hervorstechendes Design-Element, das der neue Ford-Vorstandsvorsitzende Semon E. Knudsen (ausgesprochen „(K)Nadsen“) dem neuen Taunus verordnet hatte – Die sogenannte „Knudsen-Nase“ (typisch Deutsch ausgesprochen „Knudsen-Nase“). Er wollte mit der extrovertierten Hutze an Muscle-Cars wie den Ford Mustang erinnern und das angestaubte Image von Ford mit neuen Design-Ideen auf Vordermann bringen. Leider hatte er nur 19 Monate Zeit dafür, bis Henry Ford II ihn rauschmiss – Vielsagende Begründung „It didn’t work out“. Mit der Nase klappte es allerdings besser: Die Käufer griffen trotz schlechter Kritiken beherzt zu.
Die Missgunst der Presse gipfelte in der „Silbernen Zitrone“, jenem Gegenteil von einem Preis, den der ADAC einem Ford Taunus 1600 XL verlieh. Somit war der Taunus sogar das erste Auto, das der Automobilclub wegen hoher Pannenzahl und schlechter Verarbeitung mit dem bitteren Obst auszeichnete. Aber Ford besserte nach.
Der verbesserte Taunus ab 1973
Zwar wurde das Auto in der Bevölkerung trotz seiner Mängel gut angenommen, trotzdem rührte Ford 1973-1974 nach tiefgreifenden Verbesserungen nochmals ordentlich die Werbetrommel. Im Werbespot hieß es damals: „Es steckt ein neues Auto im Ford Taunus 74“. Damit war vor allem gemeint, dass sich die wichtigen Änderungen unter dem Blechkleid vollzogen hatten. Tatsächlich fielen aber die weggefallenen Rundscheinwerfer vom Standard L-Modell und der Plastik-Kühlergrill viel mehr auf, als das neue „Breitspurfahrwerk“ mit den Stabilisatoren an den Achsen. Zwar kann das Kind in der TV-Werbung im Taunus aus einem randvollen Becher trinken, ohne das etwas verschüttet wird, in der Realität schaukelte der Ford sich aber immer noch dampferlike und ganz amerikanisch durch die Gegend.
Dazu passten auch die Innenausstattungen: Vor allem der GXL, der sich laut vollmundiger Werbung „nicht an Maßstäbe hält, sondern sie selbst schafft", überzeugte mit bequemen Sitzen, Echtholz und dickem Teppich. Kopfstützen gab es hingegen nicht einmal gegen Aufpreis. Als Karosserie-Varianten gab es nach wie vor die 3-Türer, 5-Türer, Coupés und den Kombi, der später auch „Freizeit-Taunus“ hieß. Ab 1976 war dann Schluss mit der Nase. Im Zuge einer Überarbeitung fiel sie mit dem Modellwechsel zum Januar ebenso wie die Coupé-Variante komplett weg. Das Auto entwickelte sich designtechnisch mit mehr Kunststoff und schmuckloseren Kanten stark im Sinne des Designs der 80er Jahre. Unter dem Blechkleid steckte allerdings noch viel vom ursprünglichen Knudsen.
Der Taunus als Klassiker
Noch Jahrzehnte nach der Einstellung der Baureihe wirkte die Silberne Zitrone nach. In der öffentlichen Rezeption war der Taunus eine billige Karre für Führerschein-Neulinge oder als Turnier der Lastesel zum Hausbau. Der größte Teil ging in den Export oder landete mit zuzementierten Schwellern endverbraucht beim örtlichen Schrotthändler.
Erst im Jahr 1999 brachte ihn Regisseur Peter Thorwarth zurück ins öffentliche Gedächtnis. Mit seinem Film „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ wurde der grüne Taunus des sympathisch-dauerbreiten Protagonisten „Keek“ Kult. Trotzdem sah man sie auf Oldtimertreffen bislang eher selten. Bis vor wenigen Jahren waren gut erhaltene Exemplare gar nicht so schwer aufzutreiben. Die Preise bewegten sich moderat zwischen 3000 und 5000 Euro. Ein Blick in die einschlägigen Börsen zeigt – das war einmal. Die Preisspirale beginnt bei etwa 5000 Euro für fahrbereite Exemplare. Für richtig gute Coupés kann es, ebenso wie bei Limousinen, auch knapp bis locker fünfstellig werden. Aber auch wer ein vermeintlich gutes Exemplar vor sich hat, sollte genau hinschauen. Denn zahlreiche versteckte Rostnester unter den hübschen Blechschwüngen machen den Taunus ebenso cool und kultig wie kaum kalkulierbar.
Kaufberatung zum Ford Taunus Knudsen
Karosserie – Was man nicht sieht, das rostet
Die größte Schwachstelle des Autos ist jene Oxidationsfreude des Metalls, die keinem Fan von Autos aus den 70er Jahren unbekannt ist: Rost. Zwar sind die Karosserien vor dem Lackieren phosphatiert worden, jedoch ist dieser Schutz bereits nach wenigen Jahren von Wasser und Schmutz unterwandert – Bevorzugt im zerklüfteten Unterdeck. Geprüft werden müssen deshalb – ausgiebig und mit Magnet – Schweller, Wagenheberaufnahmen und Radläufe. Hinter den vorderen Kotflügeln wartet an den A-Säulen und Stehblechen fast immer das Grauen. Wenn es der Verkäufer zulässt, sollten die Verschraubungen deshalb vorab einmal gelöst werden. Neben Türen und Endspitzen sind vor allem das Heckblech sowie das untere Blech an der Front bevorzugte Gammelherde. Besonderes Augenmerk ist auch auf den Tank-Einfüllstutzen sowie auf die Kofferraumbleche zu richten. Deswegen sollte bei einer Besichtigung hier die Matte herausgenommen bzw. die Rückbank ausgebaut werden. Hier wird auch deutlich, ob die Stoßdämpferaufnahmen noch vorhanden sind. Besser sieht es teilweise bei Re-Importen aus nordischen Ländern aus, da die Fahrzeuge für Norwegen und Schweden hohlraumkonserviert wurden. Oft gesehen sind auch Fahrzeuge aus Frankreich, jedoch ist das mediterrane Klima kein Garant für verborgene Roststellen.
Technik - Robust und günstig
Wenigstens in Punkto Technik können Taunus-Besitzer aufatmen: Die Motoren gelten in allen Ausführungen als robust und kamen als V6 durch das Baukasten-Prinzip auch in Capri und Granada zum Einsatz. Das macht Ersatzteile leicht verfügbar und sogar einigermaßen günstig. Aber auch die Reihen-Vierzylinder sind standfest. Von gelegentlich einlaufenden Nockenwellen abgesehen brauchen sie nur regelmäßige Öl- und Zahnriemenwechsel, sowie einen Fahrer, der sie mit Verstand warmfährt. Die Novotex-Stirnräder der V-Motoren sind besser als ihr Ruf. Sie sollten alle 100.000 Kilometer oder zehn Jahre gewechselt werden. Die Getriebe machen keine Probleme. Wer das schwammige Fahrverhalten verbessern möchte greift auf Polyurethanbuchsen zurück.
Interieur und Chromschmuck
Zierrat für den Taunus TC ist schwieriger aufzutreiben. Es fehlt an Emblemen, Leisten und Kleinteilen. So fehlt bei den meisten Fahrzeugen heute die schwarze Leiste an der Chromstoßstange. Rar sind auch Scheinwerfer und Teile der GXL-Ausstattung. Bei der Suche nach speziellen Teilen sind Kleinanzeigen-Börsen im Internet ebenso hilfreich wie Ford-Clubs oder Ebay.
Technische Daten
Taunus 1300/1300S | Taunus 1600/1600S/1600GT | Taunus 2000S | Taunus2300S | |
Motor: | Viertakt, Reihe | Viertakt, Reihe | Viertakt, V6 | Viertakt, V6 |
Hubraum: | 1294ccm | 1593ccm | 1998ccm | 2293ccm |
Leistung(PS): | 55/59 | 68/72/88 | 90 | 108 |
0-100 Km/h: | 23 Sek, | 16 Sek. | 14 Sek. | 13 Sek. |
Vmax.: | 135/138 Km/h | 145/148/163 Km/h | 163 Km/h | 173 Km/h |
Verbrauch: | 11,5 | 12,5 | 14 | 14 |
Tankinhalt | 54 | 54 | 54 | 54 |
Neupreis: | ab 6.654 DM | ab 7.093 DM | ab 7.365 DM | 15.255 DM |
Adresse für Ersatzteile und Reparatur für Ford Taunus:
Ein in der Szene bekannter Spezialist für alte Fords ist das Autohaus Krause. Hier gibt es Ersatzteile und Reparaturen für den Old- und Youngtimer aus Köln und Amerika. Hilfe gibt es auch vom Teilehändler Motomobil. Bei Ford selbst gibt es nach dem bekannten Brand im Großlager heute leider nicht mehr viel zu holen. Umso wichtiger, dass es viele Spezialisten und Enthusiasten gibt, die die alten Nasen immer am Laufen halten!
Fotos: "Ford Taunus 1.3 TC ca 1974 Schaffen-Diest 2012" by Charles01 - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons / Ford / Ford / "Ford Taunus TC" by Gerhard Giebener - Flickr: Ford Taunus TC. Licensed under CC BY 2.0 via Wikimedia Commons / „Ford Taunus (TC2) 1.6GL 1976 more cropped“ von Charles01 - Crop and retouch of File:Ford Taunus (TC2) 1.6GL 1976.png by Einar414. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons