Ein Monster auf elf Rädern - Wieso Michelin den DS "Mille Pattes" baute
Veröffentlicht am 11.10.2016 von D. Helmling Noch keine Kommentare
Im Jahr 1972 brachte Michelin den wohl gewaltigsten Zwillingsbruder der DS auf die Straße: Dank zweier Motoren konnte der neun Tonnen schwere Koloss sogar auf 180 Km/h beschleunigen. Doch wozu baute der Reifenhersteller den Michelin DS PLR "Mille Pattes" eigentlich?
Unter unseren Reihen gibt es sicherlich nicht gerade wenige, die den DS "Mille Patte" bereits einmal in den Händen hielten - entweder als 1:43-Modell von Altaya oder zweidimensional im Autoquartett. Hier war die "Monster DS" nämlich ein wahrer Überflieger in allen Dimensionen: Mit zwei Motoren (je 425 PS), 9000 Kilogramm Eigengewicht und eine Länge von mehr als sieben Metern schlug der Tausenfüssler (so die deutsche Übersetzung von "Mille Pattes") im Kartenduell fast alles.

Und anders, als man vielleicht vermuten könnte, war der elfrädrige Koloss kein Phantasieprodukt durchgedrehter Spielwarenerfinder, sondern ein tatsächlich existierendes Automobil. Allerdings wurde hiermit nicht das Michelin-Männchen transportiert - Der Spezial-DS hatte höhere Ziele: Mit dem Ungetüm testete der Reifenhersteller seine Pneus bei hohen Geschwindigkeiten.

Testwagen für LKW Reifen
Durch die extreme Länge und das voluminöse Hinterteil wirkt das Auto ein wenig wie eine Kreuzung aus Insekt und Roboter. Im Metall-Abdomen verbirgt sich die eigentliche Teststation. Denn anders als es auf den ersten Blick scheint, hat der PLR nicht fünf, sondern sogar sechs Achsen. In der Mitte des Fahrzeugs sitzt nämlich ein Testgerät, welches einen LKW-Reifen auf die Fahrbahn herablassen kann.

So war es möglich, die Gummis bei hohen Geschwindigkeiten zu testen, ohne dass das Risiko bestand, bei einem Reifenplatzer die Kontrolle zu verlieren.

Zwei Motoren für hohe Geschwindigkeiten
Damit der Poids Lourd Rapide (franz. für "schneller Lastwagen") seinem Namen alle Ehre machen konnte, wurden gleich zwei riesige Motoren eingebaut. Diese waren 7.4-Liter V8-Triebwerke aus dem Hause Chevrolet, die in dieser Form auch in der Corvette zum Einsatz kamen. Zusammen kamen die Aggregate auf über 800 PS. Die Leistung reichte aus, um den mit Bleiplatten auf LKW-Gewicht beschwerten 9.5-Tonner auf 180 Km/h zu beschleunigen. Dabei treibt ein Motor die hinteren drei Achsen an, der andere gibt seine Kraft an den zu testenden Reifen in der Mitte.

Die Maschinen sitzen nebeineinander im Heck und werden aus separaten 90-Liter-Tanks gespeist. Damit die beiden gewaltigen zur Fahrzeugmitte stehenden Kühler ausreichend Frischluft bekommen, sind die hinteren Scheiben ausgespart.
Wieso sieht der Testwagen aus wie eine DS?
Die Konstruktion beruht tatsächlich in einigen Teilen auf der Citroen DS. Unter dem gemufften Aufbau aus Stahlrohren steckt ein optimiertes hydropneumatisches Fahrwerk aus dem DS Break, Radnaben und Reifen stammten vom Citroen HY. Der Grund dafür, dass sich Michelin bei der Konstruktion im Citroen-Regal bedienen konnte, war, dass der Reifenhersteller den Autobauer bereits 1934 übernommen hatte. Und so stattete man den Tausendfüßler mit günstigen Technikteilen aus eigener Produktion aus. Im Cockpit sieht es allerdings schon eher nach LKW aus, als nach dem bekannten gediegenen Art-Deco-Ambiente.

Der Citroen DS PLR Break hat sogar tatsächlich bis heute überlebt. Der Koloss ist im Michelin-Firmenmuseum in Clermont-Ferrand ausgestellt.