Die Königsklasse der hohen Wartungskosten - 25 Jahre Mercedes C140
Veröffentlicht am 17.1.2017 von Dominik 1 Kommentar
Das Coupé C140 ist wohl gemeinsam mit dem "Kohl-Benz" der umstrittenste Entwurf, den Mercedes jemals an den Mann brachte. Wir zeigen, warum man den klobigen Zweitürer trotzdem mögen darf.
Lange Zeit hatte Bruno Sacco im Hause Mercedes schwer abgeliefert: Mit W123, SEC und W126 hatte der begnadete Designer das Gesicht von Mercedes über Jahrzehnte hinweg geprägt und mit den neuen Generationen eine bis heute nachwirkende Marken-Identität geschaffen. Und jetzt das: Bei der Weltpremiere des W126-Nachfolgers in Genf sorgte die neue S-Klasse für Entsetzen - und das obwohl man nicht weniger als das beste Auto der Welt auf die Räder stellen wollte.
Die Präsentation des W140
Das runderneuerte Vorstands-Sacco fiel bei Publikum und Fachpresse stilistisch eiskalt durch: Zu klobig, protzig, archaisch und undynamisch. Tatsächlich wirkt der W140 im Vergleich zum Vorgänger wie eine missglückte C-Klasse aus dem Töpferkurs. Ebenfalls Steine des Anstoßes: Die erstmals integrierte Kühlermaske und das ausladende Heck.

Im direkten Vergleich gegen BMWs wohlproportionierteren 7er (E38) erscheint das Duell wie Trutzburg gegen Neubau-Villa. Da half auch das sportliche Coupé nicht, das dem großen Bruder ab 1992 zur Seite stand.
Auch hier ergibt sich gegenüber dem harmonischen SEC aus der Vorgänger-Generation einfach kein stimmiges Gesamtbild. Dies liegt daran, dass das Coupé relativ hoch baut. Aufgrund der großen Katalysatoren war der Platz unterm Auto bereits anderweitig verplant, weswegen Coupé und Limousine in der Höhe nur vier Zentimeter unterschieden. Auch wirken die großen Reifen im flachen Vorderwagen zu dominant.

Um Zentimeter ging es auch bei der Breite des Autos. Obwohl Mercedes das Auto auf dem Papier verschlankte und die Maße verschmitzt ohne Seitenspiegel angab, passte das 2.2 Tonnen schwere Dickschiff mit einer Breite von 1.90m nicht auf den Autozug nach Sylt - in Zeiten des Insel-Booms der 90er ein echtes Politikum.
Lobende Stimmen für den W140 gab es deshalb größtenteils nur von der gegenüberliegenden Seite des Fisch-Gosch-Imbisses. In den USA (und Russland) waren große Autos natürlich seit jeher kein Problem, zumindest ebensowenig wie die Nutzung von Autozügen eine Option gewesen wäre.

Ebenfalls nur in Amerika vorstellbar: Im Jahr 1992 erhielt der W140 den Umweltpreis der US-amerikanischen „Environmental Protection Agency“. Mit dem „Stratospheric Ozone Protection Award“ wurde die FCKW-freie Klimaanlage des Dickschiffs geehrt. Die Ironie der Tatsache, einem 2.2 Tonnen schweren Auto mit einem Norm-Verbrauch über 18 Litern einen Umweltpreis zu verleihen, schien aber sonst keinem aufgefallen zu sein.
Doch so verschwenderisch die Motoren das Petroleum auch versoffen, so seidenweich liefen sie auch - frei nach dem Motto "Wer saufen kann, kann auch arbeiten".
Auch über dem großen Teich lobte man die seidigen Triebwerke, die trotz des gewaltigen Ausmaßes im Inneren dank dicker Spezialverglasung kaum zu hören waren. Anfangs war das Coupé als S420 mit altbekanntem V8 und 279 PS zu haben. Später kamen noch ein großer Achtzylinder S500, sowie der feine neue Zwölf-Ender S600, der die Konkurrenz von BMW mit 394 PS locker das Fürchten lehren konnte. Dazu kamen technische Spielereien en masse und ein seidenweiches Fahrwerk mit nahezu stoßunempfindlicher Lenkung. ESP gab es, erstmals bei einem Auo überhaupt - in Serie. Dazu schraubte eine ellenlange Liste aufpreispflichtiger Features den Preis in der Endstufe auf gigantische 226.435,- DM.
Der C140 in der Klassiker-Szene
Heute hat der Koloss fast 90% seines Wertes verloren. Denn obwohl selbst Papst Johannes Paul II. im W140 unterwegs war, gerieten die meisten Schäfchen der Herde (und vor allem des Coupés) schnell auf die schiefe Bahn. Statt vor Großkonzernen standen die zwölfendigen Sternenkreuzer häufig schnell vor dem Kleinstadt-Bordell. Bis der Werkstattkosten-geplagte Lude schließlich entnervt kapitulierte und den Wagen beim Cousin des Türstehers für etwas pflegeleichteres in Zahlung gab.
Auch heute stehen die meisten Fahrzeuge noch für schmales Geld beim Fähnchenhändler - doch die darf man getrost stehenlassen. Kenner der Materie sprechen davon, selbst bei guten Autos nochmal den Betrag des Kaufpreises für Reparaturen beiseite zu legen. Egal ob C140 oder W140 - wichtig ist ein guter Vorbesitz und ein Scheckheft mit vielen blauen Stempeln.

Damit nervt die Baureihe
Besonders Fehler in der Elektronik gehen massiv ins Geld. Die Can-Bus-Elektronik ist anfällig, Kabelbäume verspröden aufgrund der großen Wärmeentwicklung im Motorraum, was zu vielfältigen Ausfällen führt. Dazu kommen streikende Stellmotoren und Unterdruckpumpen.
Auch typisch Mercedes war die S-Klasse nicht gegen die braune Pest immun. Trotzdem kommt Rost bei gepflegten Garagenwagen eher selten vor. Motoren und Getriebe sind hingegen solide, sofern sie in ihrem früheren Leben nicht kalt getreten wurden. Hier ist Geduld gefragt, da es rund 30 Kilometer dauern kann, bis die zehn Liter Öl auf Betriebstemperatur sind.
Einzig die Gleitschienen der Steuerketten sind eine Sollbruchstelle. Sie neigen zum verspröden und sollten bei unbekanntem Alter unbedingt gewechselt werden. Um an die sieben Schienen zu kommen muss der V8 allerdings seinen Platz verlassen. Mit neuen Dichtungen kommt die Aktion dann auf gut und gerne 3.000 Euro.
Bringt die Klimaanlage indes keine Erfrischung, so hat der Eigner genau zwei Optionen: Sich damit abfinden, oder eine Fachwerkstatt eine Woche lang damit beschäftigen, Sitze, Armaturenbrett und elektrische Steuerung auszubauen. Oft übersteigt diese Arbeit den Kaufpreis.

Weshalb man trotzdem einen C140 kaufen sollte
Wer Spaß an gelegentlichen Elektrik-Frickeleien und genug Kleingeld für die teuren Ersatzteile im Portemonnaie hat, bekommt mit dem Coupé einen potenten und zuverlässigen Partner mit massig Drehmoment und exzellente Fahrleistungen. Zudem sind gerade gute Coupés mittlerweile hierzulande recht selten geworden:
Gerade einmal 26.000 Exemplare haben das Werk einst verlassen. Ein großer Teil davon fährt heute in Russland (wo auch der W140 immernoch sehr geschätzt ist) oder aber gar nicht mehr, was sich auch an den Preisen bemerkbar macht. Bodensatz mit verwohnten kleinen Achtzylindern gibt es ab 5.000 Euro. Gute Achtender starten ab 10.000 Euro, richtig gepflegte 600er bereits über 20.000 Euro. Dazu kommt: Bis jetzt ist noch jedes Coupé von Mercedes zum begehrten Klassiker gereift!