Der hässlichste Porsche aller Zeiten? Wieso der C88 nie gebaut wurde
Veröffentlicht am 4.2.2016 von LexiCar Noch keine Kommentare
Die Erinnerungslücke: Mit der Low-Budget-Limousine „Porsche C88“ wollte Porsche im Krisen-Jahr 1994 den chinesischen Markt erobern. Dafür schwor der Viertürer den typischen Porsche-Tugenden, wie Sportlichkeit, Exklusivität und Performance ab. Dagegen sollte er Sicherheit und Zuverlässigkeit als „Volks-Wagen“ zum schmalen Preis bieten. In Serie gebaut wurde er trotzdem nie.
Aus automobilhistorischer Sicht war China lange Entwicklungsland. Erst 1958 wurde hier überhaupt mit der Produktion eigener PKW begonnen, deren Marken wie Brilliance, BYD und Geely in Europa bis heute im Vergleich nur Randfiguren sind. Der Bedarf an Automobilen in China ist hingegen gewaltig: Anders als in der Vergangenheit, hat sich das Reich der Mitte seit 2009 zum weltweit größten Absatzmarkt für PKW entwickelt. Jeden Monat finden hier zwischen einer und zwei Millionen Neuwagen einen Käufer, was den Produzenten, allen voran Volkswagen, über lange Zeit teils zweistellige Wachstumsraten bescherte.
Doch das war nicht immer so: Anfang der 90er Jahre steckte die chinesische Mobilitäts-Offensive noch in den Kinderschuhen. Wenige Jahre vor dem milliardenschweren Ausbau der Infrastruktur, bat die chinesische Regierung europäische Autobauer ganz offiziell um Nachhilfe. Gesucht wurde ein Konzept für ein Familienauto, das in der Herstellung einfach, in der Produktion kostengünstig und auf der Straße sicher und zuverlässig sein sollte. Neben Mercedes bewarb sich auch die Zuffenhausener Sportwagen-Schmiede Porsche mit einem Konzept.
Porsche und die Entwicklung des Porsche C88
Für den Premium-Autobauer, der heute zum VW-Konzern gehört, könnte es derzeit nicht besser aussehen: In den Jahren von 2004 bis 2015 stieg die Produktion von 88.000 Fahrzeuge auf heute weit über 220.000 Automobile, von denen etwa jedes Vierte in Asien verkauft wird. Auch wenn sich die chinesische Konjunktur seit kurzem im Abschwung befindet, sah es für Porsche zu Anfang der 90er Jahren wesentlich dramatischer aus: Bis 1991 hatte sich der Absatz der vorigen Jahre mit 26.486 Autos fast halbiert. In den Folgejahren fuhr man millionenschwere Verluste ein und die wenig ausgelasteten Bänder des Werks wurden sogar für Auftragsarbeiten wie den Mercedes 500 E genutzt. Umso willkommener erschien die Anfrage Chinas nach der Entwicklung eines Volumen-Modells für die breite Masse. Die Zuffenhausener hatten bereits in den 80er Jahren bei Kleinwagen anderer Hersteller mitentwickelt und beispielsweise Motoren für Lada Samara und Seat Ibiza beigesteuert. Insofern war der C88 als China-Golf für die Zuffenhausener die perfekte Chance, in Fernost einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Auch im Samara schnurrt ein Porsche-Herz
Gerade einmal vier Monate später war der C88 fertig. Von Anfang an waren Konstrukteure aus Asien bei der Erstellung des Prototyps beteiligt gewesen, die darauf achteten, dass der Wagen den Vorstellungen und dem Geschmack der Chinesen entsprach. Vielleicht erklärt sich das „asiatische“ Design der Außenhülle auch aus diesem Umstand. Diese gibt sich mit der kantenlosen Front auffällig unauffällig und geschmacksneutral.
Einzig die Blinker in ergonomischer Hühnerei-Form stechen optisch hervor. Ein weiteres auffälliges Detail ist der Einarm-Wischer a la Mercedes. Apropos Mercedes: Die Stuttgarter waren bei der Ausschreibung ebenfalls dabei. Sie reichten das Konzept FCC (Family Car China) ein, das viele Details von der 1997 debütierenden A-Klasse vorwegnahm.
Nicht schön, aber praktisch. Das Mercedes-Konzept nimmt das Design der A-Klasse vorweg.
Innen könnte der C88 hingegen auch von einem französischen Hersteller dieser Zeit abstammen. Wie vereinzelte Sukkulenten ducken sich die spärlichen Schalter in ihrer Plastikwüste. Lenkrad und Schalthebel erinnern an den Twingo, wirken aber wie der Rest aufgeräumt und zweckmäßig. Das Porsche-Logo sucht man allerdings innen wie außen vergeblich. Stattdessen prangt ein Dreieck mit drei Punkten an Lenkrad und Kühlergrill – Ein Symbol für die chinesische Ein-Kind-Politik.
Die Technik des Porsche C88
Geplant waren zwei Varianten: Karosserieseitig sollte es einen Zweitürer in der Basis-Version geben, daneben einen Viertürer mit Stufenheck, die 40 Zentimeter länger war. Motorseitig hätten entweder ein Vierzylinder-Einspritzer mit 1.1 Litern Hubraum (47 PS), oder ein 1.6-Liter-Turbodiesel mit 67 PS an den Vorderrädern gezogen und die Fuhre auf einen Top-Speed von 165 Km/h gebracht. Auch ein Turbo-Diesel war im Gespräch. Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 Km/h von 16, bzw. 22 Sekunden wäre der C88 aber trotz seines niedrigen Gewichts von nur 980 Kilogramm in keiner Version ein guter Sprinter gewesen. Doch andere Werte, wie Sparsamkeit und Zuverlässigkeit waren ohnehin die wichtigeren Punkte im Lastenheft.
Wieso aus dem Projekt nichts wurde
Die Entwickler gaben alles, um den Chinesen den Wagen schmackhaft zu machen: Der Name C88 steht einerseits für China, andererseits für die Glückszahl Acht, die wiederum für Reichtum und Wohlstand steht. Noch im selben Jahr stellte der Vorstandvorsitzende Wendelin Wiedeking den Entwurf persönlich in China vor – Auf Mandarin. Den entsprechenden Text hatte er vorher in Lautschrift auswendig gelernt. Ob es vielleicht an Übersetzungsfehlern lag, dass der Billig-Porsche für umgerechnet rund 4000,- Euro nie in Serie ging? Wohl kaum, denn die Regierung stoppte das Projekt, ohne einen Sieger des Wettbewerbs zu küren – Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
So fanden sich später einige Details des C88 an chinesischen Eigenproduktionen und Porsche bekam nichts vom Kuchen der jährlich etwa auf 300.000 Stück geplanten Einheiten ab. Allerdings sollten die Zuffenhausener diesen Rückschlag schnell verschmerzen. Der neue Boxster rettete den Konzern als günstiges Einstiegsmodell und wurde wie seine Nachfolger auch in China zum großen Erfolg. Statt billiger Kompaktwagen setzt der Konzern dort heute Zehntausende seiner wesentlich teureren Modelle ab. Die Massenmobilisierung überlassen sie aber nach wie vor der Konzernmutter VW.
Wer den C88 heute live erleben möchte, muss ins Porsche Museum Stuttgart kommen. Dort befindet sich das Einzelstück unter den Exponaten.
Fotos: Porsche AG, AwtoWAS, Daimler AG