Luxusdampfer mit reichlich Knautschzone - 40 Jahre Mercedes W123 Coupé
Veröffentlicht am 22.3.2017 von Dominik Noch keine Kommentare
Das Baumuster des Mercedes W123 wird seit Ewigkeiten als "Youngtimer" bezeichnet. Dabei steuert das solide W123 Coupé in wenigen Tagen schon stramm auf die 40 zu. Doch von Midlife-Crisis herrscht bei 280CE und Co. trotzdem keine Spur.
Mit dem W123 Coupé gelang Mercedes ein wahres Meisterstück: Egal ob Student, Studienrat, oder Spektrophobiker - mit dem zeitlosen Zweitürer waren Vertreter aller sozialen Schichten gut angezogen. Wer es sich leisten konnte, fuhr mit dem 280CE (um es laut Jugendwort-Duden zeitgemäß auszudrücken) die "Volle Gönnung", Normalverdiener griffen zum 230C. Dabei schloss der Sechszylinder die Lücke nach dem hauseigenen Oberklasse-Coupé R107, das zwar mit großem V8 lockte, aber nur zwei Passagieren ein spärliches Platzangebot offerierte.

Das Design des W123 wirkt damals wie heute weder protzig noch billig, oder - was am schlimmsten wäre - beliebig. Die Zeitlosigkeit des Entwurfs geht sogar so weit, dass das Auto bis heute gerne als "Youngtimer" bezeichnet wird, dabei wurde selbst die Coupé-Variante schon 1977 präsentiert - also vor 40 Jahren! Um es zu verdeutlichen: Nur sieben Jahre zuvor war Frauenfußball in Deutschland noch verboten.

Lange Lieferzeiten beim W123
Vielleicht liegt diese Tatsache des Youngtimer-Etiketts auch darin begründet, dass der W123 heute noch relativ häufig im Straßenverkehr vertreten ist. Zumindest sind die Fahrzeuge dieser Tage sogar besser verfügbar, als Ende der 1970er: Wegen der enormen Nachfrage von Privatleuten, Handwerkern und Taxi-Unternehmern, konnten zwischen der getrockneten Tinte im Auftragsbuch und dem eigenen Auto in der Auffahrt bis zu 36 Monate ins Land gehen. Gebrauchte lagen deshalb preislich teilweise auf Neuwagen-Niveau.

Da die Produktion der Auftragslage nicht Herr wurde, produzierten die Werke zudem zusätzlich noch fleißig am W115 (im Volksmund "Strich-8"), der seit 1969 vom Band lief. Der face-geliftete Vorgänger ging für rund 2.000 Mark weniger an all jene, die sich nicht in Geduld üben mochten. Immerhin bekamen Sie ab 1975 dann statt dem hübschen spindeldürren Volant mit Hupenring und Prallplatte (das beste Sicherheits-Feature ever) auch ein umschäumtes Lenkrad, das dem des W123 nicht unähnlich war.

Zwischen dem restlichen Innenraum beider Fahrzeuge lagen jedoch Welten. Während das Armaturenbrett des W115 noch verspielt und kleinteilig war, herrschte beim Nachfolger aufgeräumte Sachlichkeit in bombastischer Qualität. Auch nach vier Jahrzehnten tun die Schalter und Armaturen - mit Ausnahme der hakeligen elektrischen Fensterheber - oft noch klaglos ihren Dienst.

Auch außen wirkte der Nachfolger deutlich moderner. Die Breitband-Scheinwerfer lagen nun wie bei der großen S-Klasse (aus der auch die vordere Aufhängung stammte) waagrecht und verpassten dem 123er ein windschnittiges Gesicht. Dazu passte der sparsamere Einsatz von Chrom-Zierrat, der aber dennoch einige wichtige Akzente setzen durfte.

Hier drei harte Fakten über den W123, mit denen man beim Benzin-Talk glänzen kann:
1. Modelle mit Diesel-Motoren erkennt man daran, dass die Radio-Antenne auf dem rechten Kotflügel sitzt, statt auf dem linken (ausgenommen Fahrzeuge mit elektrischer Hirschmann-Antenne).
2. Vor 1982 hatten nur die Sechszylinder und der 300D (sowie das Coupé) die Scheinwerfer ohne die vier runden Einsätze (s. Foto r.).
3. Für den amerikanischen Export-Markt gab es sogar ein Diesel-Coupé. Dafür wurde dem Zweitürer der 3-Liter-Motor mit 80 PS eingepflanzt, der ab 1981 sogar einen Turbo bekam. Grund war nicht die Nachfrage, sondern die Senkung des Flottenverbrauchs.

Elegant mit zwei Türen
Den mondänen Zweitürer bekamen Kombi und Limousine ab August 1977 zur Seite gestellt. Mit den komplett versenkbaren Scheiben vorne und hinten, kam hier fast Cabrio-Feeling auf. Besonders in Kombination mit einem Schiebedach. Leider sind Exemplare mit Dachaufschnitt aufgrund der ungleich höheren Rostempfindlichkeit heute rarer gesät. Apropos Karosserie: Diese war mit reichlich Knautschzone, abknickender Sicherheits-Lenksäule und Versteifungen ebenfalls fortschrittlich. Durch die niedrigere Dachsäule und den verkürzten Radstand dazu noch dynamischer gestaltet.

Motorseitig konnte der Kunde zwischen den bekannten 230er und 280er Ottomotoren wählen, die noch vom /8 stammten - jeweils mit, oder ohne Einspritzung. Der 2-Liter mit 109 PS bliebt dabei der Limousine vorbehalten. Oben markierte der Sechszylindrige 280CE mit 185 PS und doppelter Nockenwelle das Ende der Fahnenstange. Alle Aggregate gelten als kultiviert und standfest, jedoch sowohl mit dem hakeligen Schaltgetriebe, als auch mit der zähen Automatik eher unelastisch (aber zum cruisen absolut tauglich). Als beste Wahl gilt der 230 Einspritzer, der den besten Alltagswert zwischen Verbrauch und Fahrleistung bietet. Dazu kam das verbesserte Fahrwerk, dass den W123 wesentlich satter auf der Straße liegen ließ, als es beim /8 der Fall war.

Innen grenzte sich das Coupé mit Wurzelnuss-Holz (später Zebrano) und gehobener Ausstattung (Handschuhfach-Schloss, Servo-Lenkung, Verstärkte LiMa) von den Limousinen ab. Dass auch die oberen Zehntausend C123 fahren sollten zeigt die Aufpreisliste 1978: Hier findet sich das Auto-Telefon Becker AT 40 S für geschmeidige 15.568,- DM, was fast dem Basis-Preis eines 200D entsprach. Wesentlich öfter setzten die Kunden den Haken bei der verstellbaren Zweiton-Fanfare (mein Lieblings-Extra für 184,- DM), oder MB-Tex, bzw. Lederausstattung.
Die Coupés wurden im Laufe ihres Lebens meist gehegt statt geheizt. Das merkt man auch heute noch: Gepflegte Erst- und Zweithand-Exemplare lassen sich mit Glück und Ausdauer noch ergattern. Einen schönen Dreier für schmales Geld auch (noch). Die Instandhaltung ist dank solider und reparaturfreundlicher Technik auch kein Problem, solange die Karosse weitgehend in Ordnung ist. So ist der C123 auch 40 Jahre nach seinem Erscheinen noch stilvoller Alltags-Oldie, oder ein idealer Einstieg in die Oldtimer-Szene.