BMW "Goldfisch" - Wieso das 16-Zylinder-Geheimprojekt nie in Serie ging
Veröffentlicht am 9.5.2017 von Dominik Noch keine Kommentare
Vor 30 Jahren lotete ein kleines Team an Konstrukteuren bei BMW aus, was antriebstechnisch über dem Serien-12-Zylinder noch möglich war. So entstand mit dem BMW "Goldfisch" der erste und einzige bayerische 16-Zylinder mit 6.6 Litern Hubraum.
Eine alte Volksweisheit besagt, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen sei, außer durch noch mehr Hubraum. Gleiches gilt unter Autoquartett-Spielern natürlich auch für Zylinderzahlen. In diesem Punkt war mit zwölf Brennräumen eigentlich seit jeher das Maß aller Dinge erreicht - V12 bedeutete "Sticht" oder Sieg. Jene Trümpfe stammten bis Dato nur selten aus deutschen Gefilden, denn bekanntlich drehten derart potente Motoren lange Zeit nur in filigranen Sportwagen aus Italien. Doch 1987 lancierte BMW mit dem 750i einen wahren Wolf im Schafspelz, der vor allem Oberklasse-Konkurrent Mercedes das Fürchten lehrte.

Außer Details wie der breiteren Niere im Kühlergrill, dem Schriftzug auf dem Kofferraumdeckel und den viereckigen Endrohren wies äußerlich nämlich nichts darauf hin, dass ein seidiger (aber massiver) 12-Zylinder (M70) unter der Haube kauerte. Doch in der Oberklasse war der E32 in der höchsten Ausbaustufe das richtige Auto zur richtigen Zeit - in rund 50.000 Einheiten rollte der Edel-Siebener mit Über-Motor vom Band.

Das Wettrüsten beginnt
Da BMW nun offiziell "den Größten" hatte, musste Stuttgart in der Oberklasse rasch nachziehen. Die Antwort kam mit dem weniger glorreichen, da zu klotzigen W140, der nun als 600er auch mit zwölf Brennräumen ausgeliefert wurde. Mercedes holte also auf, weshalb seitens BMW erste Überlegungen zu einem noch größeren Aggregat aufkamen.

Der erste V16 von BMW
Vom Erfolg des 750i beseelt, geriet das Projekt "Goldfisch" nun zur Fingerübung auf der Klaviatur des Motorenbaus: ein kleiner Kreis von Ingenieuren (weniger als zehn Personen) testete mit einer Machbarkeitsstudie heimlich das Potential eines 16-Zylinders mit moderatem Hubraum. Maßgeblich beteiligt waren dabei Dr. Karl-Heinz Lange und Konstrukteur Adolf Fischer, der bereits für den 12-Zylinder verantwortlich gezeichnet hatte - vor dem Rest der Entwicklungsabteilung wurde das Auto streng geheimgehalten.
Basis des Versuchs war ein braver 735i-Reihensechser, der gerade "übrig" war und nun für den mächtigen Motor zweckentfremdet wurde. Deshalb trägt der Wagen auch nur die schmale Niere. Wegen der goldenen Außenfarbe hieß das Projekt bald schlicht "Goldfisch". Der Deckname ermöglichte es den Konstrukteuren, sich auf dem Flur darüber offen zu unterhalten.

Der Motor des Goldfisch
Gerade einmal sechs Monate(!) nach der Idee, lief der erste V16 schon auf dem Prüfstand. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass nicht nur der Motor selbst, sondern auch Peripherie, wie Zündung und Steuerung entwickelt werden mussten. Die Zündung steuerte ein Entwickler von Bosch bei, der ebenfalls eingeweiht war. Sie bestand aus zwei Zündungs-Einheiten (DME 3.3) für je acht Zylinder. Der Block selbst bestand nicht etwa aus einem 12-Zylinder mit angeschweißter Verlängerung, sondern wurde eigens in einem Stück gegossen. Dabei orientierten sich die Konstrukteure am V12 und gaben dem neuen Aggregat ebenfalls schmale Zylinderabstände und ließen die Kolben direkt in den Bohrungen des speziellen Alu-Kopfes laufen.
Um den Motor besser testen zu können, verzichtete man allerdings auf die Automatik, die es im E32 in Zusammenhang mit dem V12 ausschließlich gab. Stattdessen verbaute man ein robustes Sechsgang-Getriebe aus dem 8er.

Wasserkühlung im Heck
Trotz der platzsparenden Maßnahmen war schnell klar, dass der monströse Block nicht ohne tiefgreifende Änderungen an der Karosserie in den eigentlich üppigen Motorraum des 7ers passen würde. Anstelle einer Änderung der kompletten Front entschied man sich aus praktischen Gründen, einfach die komplette Kühlung in den Kofferraum zu verlegen.

Dazu wurden die Rückleuchten um Rückfahrscheinwerfer und Nebelleuchte gekürzt und das Heckblech durch ein Lüftungsgitter mit Luftleitflächen aus Fiberglas ersetzt. Damit die beiden Kühler (wie im IMSA CSL) gut arbeiten konnten, entstanden links und rechts die charakteristischen Lufteinlässe, die den Goldfisch optisch zum Haifisch machten. Zusätzlich saßen hinter den Kühlern noch elektrische Ventilatoren.

Der Motor des BMW Goldfisch
Wie auch im 12-Ender betrug der Zylinderwinkel 60 Grad. Gesteuert wurde über eine einzelne (und ziemlich lange) Nockenwelle, die von einer stabilen Duplex-Kette angetrieben wurde. Mit gleicher Bohrung und Hub kam der 16-Zylinder so auf vergleichsweise humane 6.651ccm und ein Mehrgewicht von rund 25%. Der rund 310 Kilo schwere Motor erhielt jedoch gleichzeitig mit 408 PS (bei 5.200U/min) ein sattes Leistungs-Plus von 36%.
Der V16 im Einsatz
Die Fahrleistungen waren in der Tat nicht schlecht: von 0-100 sprang das schwere Geschoss immerhin in respektablen 6.0 Sekunden, was absolut auf Augenhöhe mit den damaligen gerade auslaufenden G-Modellen von Porsche lag. Bei der Agilität war das hohe Gewicht auf der Vorderachse nicht vorteilhaft und in Sachen Verbrauch setzte der 760 auch neue Maßstäbe: Bei sehr gemütlichem Cruisen flossen 14 Liter, bei flotterer Gangart auch gerne 24 Liter pro 100 Kilometer durch die Ansaug-Trakte.

Dafür war der Sound bei 4.500 Umdrehungen reine Gänsehaut. Doch obwohl es zur Serie nur ein kleiner Sprung gewesen wäre, blieb der 16-Zylinder eine reine Studie. Dazu kamen Platzprobleme, Verbrauch und das absehbare Ende des Wettrüstens bei großen Motoren. Außerdem hatte der V12 mit höherer Verdichtung (wie im 8er) bereits ähnliche Fahrleistungen bei kleinerem Gewicht.

Gehört hat den V16 übrigens leider seit Jahrzehnten keiner mehr, da der Motor schon lange nicht mehr fauchen durfte. Nach Jahren der Standzeit müssten Zündung, Einspritzung und Dichtungen überholt werden. Prinzipiell könnte BMW den 16-Ender nach Aussage von BMW recht schnell wiederbeleben. Bleibt zu hoffen, dass der "Goldfisch" bei seiner nächsten öffentlichen Präsentation wieder aus eigener Kraft aufs Podium kommt. Und im Prototypen-Quartett bleibt der 760 nach wie vor ein echter Trumpf!