Bildband: „The Race of Gentlemen“ – Die Suche nach den letzten Abenteuern
Veröffentlicht am 21.3.2016 von LexiCar Noch keine Kommentare
Durch die hohe Technisierung unseres Alltags schreitet die Ausweitung unsere Komfort-Zone immer weiter voran. Elektronik nimmt uns Entscheidungen ab, echte Abenteuer werden immer seltener. Doch es geht auch anders: Für alle, die sich noch für die kernige Echtheit von Mechanik begeistern, steigt im kleinen Provinz-Nest Wildwood einmal im Jahr ein ganz besonderes Festival. Das Hot-Rod-Strand-Rennen „The Race of Gentlemen“ erinnert an die glorreichen 40er und 50er Jahre des Motorsports. Wer live dabei sein möchte, braucht nur den Bildband von Johannes Huwe aufzuschlagen.
Das kleine Örtchen Wildwood unweit von Philadelphia zählt nur etwa 5.000 Einwohner, dafür aber fast 200 Motels aus den 50er und 60er Jahren. Das Besondere: Die Gebäude stammen aus der „Doo-Wop“ Ära, deren Architektur man als „Googie“ oder „Popolux“ bezeichnet. Sinnbildlich für diesen Stil steht beispielsweise die europäische Assoziation zum American Diner: Geschwungene Bögen, kräftige Farben und ein Hauch von Verspieltheit.
Kein Wunder, dass es an diesen Ort einmal im Jahr eine ganz besondere Spezies an Oldtimer-Liebhabern verschlägt. Für „The Race of Gentlemen“ treffen sich Hot-Rodder und Motorradfahrer der ganzen USA zum gemeinsamen Kräftemessen auf der Sandpiste. Der Strand von Wildwood bietet dafür die perfekte Kulisse: über den weißen Sand donnern die Höllenmaschinen jener dünnen Linie entgegen, die den strahlend blauen Himmel vom weiten Horizont trennt. Am Steuer sitzen staubverschmierte Fahrerinnen und Fahrer mit Lederkappen und prähistorischen Schutzbrillen und versuchen ihre eigenwilligen Gefährte, die oft Eigenbauten sind, auf Kurs zu halten.
The Race of Gentlemen - Die Regeln
Die Regeln für das TROG sind streng: Autos, die am Strand gegeneinander antreten dürfen nicht nach 1934 gebaut worden sein. Motoren und Getriebe der Rennen dürfen maximal aus dem Jahr 1953 stammen. Frontscheinwerfer sind ungerne gesehen, jedoch im Gegensatz zu Weißwandreifen und Scheibenbremsen geduldet. Für Motorräder gilt das Jahr 1947 als die magische Grenze, Handschaltung ist Pflicht. Schon bei diesem Reglement wird klar, dass das Rennen keine hochglanz-Hot-Rods anzieht, sondern Fahrer, die den Motorsport der 1950er Jahre wirklich leben und lieben.
Das sieht man nicht nur an ihren Fahrzeugen: Die Flag-Girls tragen originale Renn-Overalls von Harley Davidson, die Fahrer Vollbärte und Schweißerbrillen. Auf der schlüpfrigen Sandbahn kämpfen Motorräder mit hakeligen Tankschaltungen um jede Sekunde, daneben die laut donnernden Hot Rods, deren dünne Räder auf dem rutschigen Untergrund mit Mühe Halt suchen. Viele der Renner sind modifizierte Ford Model A und Model T. Die rostigen Gefährte tragen stolz die Spuren ihrer vergangenen Kämpfe und Jahrzehnte.
Der Bildband von Johannes Huwe
Von diesem einzigartigen Event wurde auch der deutsche Fotograf Johannes Huwe angezogen, der extra für das Rennen nach New Jersey reiste, um es fotografisch zu dokumentieren. Seine Bilder fangen den Spirit des Rennens mit herausragendem Blick fürs Detail ein. Die Fotos wirken dabei durch die Art der Bearbeitung und ihre ungewöhnliche Entstehung besonders authentisch. Wie der Fotograf es schaffte, seinen Aufnahmen den besonderen „Vintage-Look“ zu verpassen, verriet er uns im persönlichen Interview.
Interview mit Johannes Huwe
LC: Herr Huwe, Sie haben sich in Ihren Arbeiten bereits mehrfach mit Wettrennen von Hot Rods befasst – Woher stammt Ihre Begeisterung für das Thema und wie hat die Arbeit zu „The Race of Gentlemen“ begonnen?
J. H.: „Als Fotograf ist es vor allem das große Thema „Abenteuer“, das den roten Faden in meinen Arbeiten bildet. Insofern passt, neben Expeditionen nach Namibia, Island oder die Arktis auch die Beschäftigung mit dem Thema Automobil ins Bild: Autos verkörpern Freiheit, Leidenschaft und Geschwindigkeit. Natürlich ist die Fahrt in einem modernen Fahrzeug heute kein Abenteuer mehr. Bei den historischen Rennveranstaltungen ist dieses Gefühl aber wieder deutlich spürbar. Schon der erste Kontakt zum Thema war bezeichnend: Zunächst arbeitete ich an der Serie „World of Speed“, die später weltweit von verschiedenen Auto-Magazinen veröffentlicht wurde. Die Aufnahmen entstanden am abgelegenen Salzsee „El Mirage“ in der Mojave-Wüste, wo die „Land Speed Racer“ in selbstgebauten Fahrzeugen bei 45 Grad Lufttemperatur gegeneinander antraten. Der Kontrast zwischen dem weiten unrealen Ort und den Rennfahrern mit ihren improvisierten Rennwagen war beeindruckend. Die Arbeit zu „The Race of Gentlemen“ stellt die Fortführung dieses Projekts dar und ist das Ergebnis langer Recherchen, bei denen Ich dieses noch junge Event entdeckt habe. Auch ausschlaggebend war, dass ich schon immer ein Faible für historische Dinge hatte.“
LC: Was für ein „Menschenschlag“ ist bei einer Veranstaltung wie dem „Race of Gentlemen“ anzutreffen?
J. H.: „Das Strandrennen lockt natürlich vor allem absolute Individualisten und Menschen mit einer Vorliebe für alles, was wir heute unter dem Schlagwort „Vintage“ verstehen. Der Vintage-Trend ist ja seit Längerem auf dem Vormarsch: Man begeistert sich heute für alte Dinge mit Geschichte, und verändert sie – wie bei den Hot Rods – nach dem eigenen Geschmack. Zu sehen ist dieses Phänomen auch daran, dass in vielen Städten von New York bis Berlin Vintage-Läden eröffnen, die Produkte aus der „guten alten Zeit“ vertreiben. Die Besucher des TROG sind natürlich nochmal eine ganz eigene Community. Hier wird der Spirit der 50er Jahre gelebt, der sich durch das ganze Festival zieht. Da zählen natürlich nicht nur die Autos, sondern auch das ganze Drumherum: Wenn zum Beispiel die Piste nach einem Rennen neu präpariert wird, dreht ein alter Werbe-Truck seine Runden, auf dessen Ladefläche Werbebanner aus echten Leinen gespannt sind. Solche Kleinigkeiten machen die besondere Atmosphäre des Rennens aus. Dazu kommen die zeitgerechte Kleidung der Teilnehmer und die Musik der 50er, die von den vielen Live-Bands gespielt wird.“
LC: Mit welchem technischen Equipment arbeiten Sie für gewöhnlich, um den authentischen Alterungseffekt bei Ihren Fotos zu erreichen?
J. H.: „Der Effekt entsteht auf verschiedene Arten. Für meine Namibia-Expedition habe ich beispielsweise abgelaufene Farbfilme gekauft, die heute nicht mehr erhältlich sind. In der Kombination mit einer alten analogen Leica ergab sich der sanfte Pastell-Look der Fotos. Bei der „World of Speed“-Serie nutzte ich eine Mittelformat Hasselblad Kamera, um die besondere Schärfe und 3D-Wirkung zu erreichen. Bei TROG waren ursprünglich Schwarz-Weiß-Aufnahmen geplant, weswegen ich eine analoge Kamera der Leica M-Serie dabei hatte. Die Entscheidung, das Rennen doch in Farbe abzulichten, kam nach dem ersten Renntag relativ spontan. Dafür hatte ich eine 10 Jahre alte Leica M8 Digitalkamera als Backup mitgenommen. Das gute an dieser Kamera ist, dass sie aufgrund ihres Alters ein gewisses Bildrauschen erzeugt – besonders gut sieht man das im Bildband auf den Horizonten der großformatigen Bilder. Im Zusammenhang mit digitaler Nachbearbeitung entsteht dann dieser spezielle Ton, der die Aufnahmen so authentisch macht.
LC: Gab es dabei besondere Schwierigkeiten?
J. H.: „Die besondere Herausforderung bei der Arbeit mit alten Kameras liegt in der langsamen Geschwindigkeit. Wer eine zehn Jahre alte Leica vor jedem Schuss per Hand aufziehen muss, hat einfach weniger Versuche für das perfekte Foto. Auch die alte Digitalkamera ist hierbei anspruchsvoller zu handhaben: Im Vergleich zu modernen Canons oder Nikons macht sie keine zehn Bilder pro Sekunde, sondern eben nur eines. Als Fotograf hat man dann keine Auswahl, sondern nur diesen einen Moment. Ein gutes Beispiel dafür ist das Flag-Girl auf dem Cover (siehe unten). Um ihren Sprung beim Start der Autos perfekt einzufangen ist dann höchste Konzentration nötig – Aber darin liegt für mich auch die Kunst dieses Berufs. Weitere Einschränkung ist mein Verzicht auf Zoom-Objektive. Ich nutze fast durchgängig ein 35mm-Objektiv, was den dokumentarischen Charakter verstärkt. Dadurch kann es natürlich passieren, dass ich als Fotograf manchmal nicht nah genug dran sein kann, wenn etwas interessantes passiert. Allerdings hat es den Vorteil, dass ich mich voll und ganz auf das konzentriere, was vor mir liegt – Darin sehe ich die besondere Stärke meine Aufnahmen.“
LC.: Das Motiv „Sand“ ist im Zusammenhang mit Fahrzeugen –z.B. auch bei der Namibia Flight Safari, oder den Arbeiten in Süd-Amerika und „Timeless Highway“ - immer wieder in Ihren Bildern zu sehen. Was reizt Sie besonders daran?
J. H.: „Die Verbindung mit Sand ist eher durch Zufall entstanden – und zwar im Zusammenhang mit dem Motiv der Weite. Ziel meiner Fotos ist es, die Sehnsucht des Betrachters nach Abenteuer und der unbekannten Ferne zu erfüllen. Viele dieser Orte sind sprichwörtlich auf Sand gebaut, seien es nun Wüsten in Afrika, die Atacama, oder eben die Strände der amerikanischen Südküste. In anderen Bilderserien entsteht die besondere Weite dann nicht durch Sand, sondern beispielsweise Schnee oder Felsen. Das wirkt dann manchmal etwas düsterer, wie die Serie über Island, manchmal eben lebhafter, wie bei den Renn-Events. Mir gefällt dieser Kontrast.“
LC: Haben Sie sich bei ihrer beruflichen Beschäftigung mit dem Oldtimer-Virus infiziert, oder leben Sie die Begeisterung nur beim Fotografieren aus?
J. H.: „Obwohl ich selbst Oldtimer-Fahrer bin, war die Hot Rod Szene komplettes Neuland für mich. Privat bewege ich einen Porsche 356 mit Knickscheibe.“
LC: Haben Sie für die Zukunft noch weitere Aufnahmen zu Hot Rods und Renn-Events geplant?
J. H.: „Das Thema Automobil wird mich auch in Zukunft noch begleiten, da ist noch eine Vielzahl an Projekten in Planung. Die nächste Arbeit wird sich allerdings um ein anderes Thema drehen, zu viel verraten möchte ich an dieser Stelle allerdings noch nicht.
Der Bildband "The Race of Gentlemen ist im Verlag seltman+söhne erschienen und kostet dort 39,- Euro - Versandkosten fallen nicht an. Wer es exklusiver möchte, kann derzeit über die Website von Johannes Huwe eine besondere und auf 500 Exemplare limitierte Sonder-Edition bestellen. Die handsignierte Serie kostet 49,- Euro.
- Gebundene Ausgabe: 48 Seiten
- Verlag: seltmann+söhne; Auflage: Bilingual (1. Januar 2016)
- Sprache: Englisch, Deutsch
- ISBN-10: 3944721640
- ISBN-13: 978-3944721644
- Größe und/oder Gewicht: 30,4 x 1 x 31,2 cm
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