Der Tiefpunkt im Nissan-Gewand - War der Arna der schlimmste Alfa aller Zeiten?
Veröffentlicht am 7.6.2017 von Dominik Noch keine Kommentare
Legendäres italienisches Design und robuste Technik aus Japan - was für ein gutes Joint-Venture-Auto hätte dabei entstehen können! Doch man versuchte es genau umgekehrt und lieferte mit dem Alfa Romeo Arna einen Nissan mit Alfasud-Technik.
Wer in seiner Freizeit gerne Äpfel mit Birnen vergleicht, hat in der ein oder anderen rotweingeschwängerten Abendstunde vielleicht auch einmal nach Parallelen im italienischen und japanischen Automobilbau der 80er Jahre gesucht. Freilich ohne größeren Erfolg, da beide Länder zunächst ein differierendes Grundverständnis des Automobils besaßen:
Auf der einen Seite Alfa Romeo, deren blutrote Wagen mit Leidenschaft und üppiger Formensprache Alfisti der ganzen Welt derart bezirzte, dass den von Auspuff-Sirenen betäubten Odysseefahrern lockere Schrauben und verwindungsfreudige Karosserien herzlich egal waren. Frei nach Goethe (Italien-Fan) "Schönheit bändigt allen Zorn" - gerade in der hochromantischen Kombination mit der (rostbedingten) Vergänglichkeit.

In Japan baute man zu dieser Zeit hingegen genau das Gegenteil: unverwüstliche Dauerläufer im biederen Einheits-Gewand. Der Konsument hatte die Wahl zwischen Kasten-Corolla, Kasten-Laurel, oder Kasten-Justy.

Die Zeit verspielten Muscle-Car-Designs war Mitte der 80er in Fernost definitiv vorbei - stattdessen herrschte das Design-Diktat des Rubik's-Cubes, das fortan für Jahrzehnte alle japanischen Produkte (Videorekorder, Walkmans, Wecker) in den rechten Winkel zwang. Dafür waren Motoren, Getriebe und Verarbeitung der Fahrzeuge überdurchschnittlich gut.
Zusammenarbeit zwischen Nissan und Alfa Romeo
Indes krankte es bei Alfa mehr denn je in der Fertigung: Zwar verkaufte sich der neue Alfasud anfangs nicht schlecht, litt jedoch unter massiven Schlampereien beim Zusammenbau, so dass viele Fahrzeuge auseinanderfielen wie schlecht belegte Tramezzini. Zudem wurde im neuen süditalienischen Werk ohnehin lieber gestreikt als gebaut, so dass die Rohkarossen monatelang im Freien vor sich hingammelten. Schließlich brach der Absatz komplett ein und Geld für Neuentwicklungen waren aufgrund der niedrigen Auslastung der Bänder (rote Zahlen seit 1973) knapp. Eine Lösung musste her - und zwar pronto.

Die Japaner plagten dagegen ganz andere Probleme: einige europäische Länder und gerade Italien hatten die Einfuhr ausländischer Fahrzeuge mit hohen Zöllen belegt, was den Umsatz schmälerte. Umgehen konnte man die Regel jedoch, wenn ein Teil des Fahrzeugs in Italien gefertigt wurde. So wurde das Joint Venture "Alfa Romeo Nissan Autoveicoli" gegründet - vermeintlich eine Win-Win-Situation. Doch das Ergebnis war ein Fahrzeug dessen Name eingefleischten Alfisti wie Blei auf der Zunge liegt "Alfa Romeo Arna".

Ein Alfa im Blechkleid des Nissan Cherry
Statt sich nun nämlich auf die Kernkompetenzen zu besinnen, stellte das Joint-Venture ein Auto auf die Beine, welches ausgerechnet die schnöde Optik des Nissan Cherry mit der Boxer-Technik und dem Getriebe des verrufenen Alfasud verband. Unterm Kleid war dieser zugegebenerweise gar nicht so schlecht, wie es die deutsche Motorpresse (aus Protektionismus) der inländischen Kundschaft glauben machen wollte.

Allerdings war der Ruf der Marke im Ausland nachhaltig ramponiert, woran gerade kein Cherry mit Alfa-Genen etwas ändern konnte. Geschickter wäre vielleicht der umgekehrte Weg gewesen: Alfa-Design mit robuster Nissan-Technik. Vielleicht hätte man es sich so besser vorstellen können. Pizza mit Thunfisch "inside" ist ja immerhin auch gesellschaftsfähig, wohingegen die Sushi-Rolle mit Pilzen und Salami eher Würgereiz auslöst.

Die Bestandskundschaft fühlte sich jeden Falls mild veräppelt und zur Neukunden-Gewinnung taugte der Arna in dieser Form erst recht nicht - trotz munteren 63 PS (aus 1.2 Litern), niedrigem Verbrauch und kernigem Klang. Außerdem lohnte die Fertigung durch die weite Anreise aus Fernost nach Pratola Serra, wo die Komponenten endmontiert wurden, nicht wirklich.

Das Ende des Alfa Romeo ARNA
Als nach drei Jahren nur rund 80.000 Exemplare an den Mann gebracht wurden, verkaufte der Staat den Betrieb an Fiat. Unter neuer Leitung wurde der ARNA ersatzlos gestrichen, wohingegen der zweite Nachfolger des Alfasud, Der Alfa Romeo 33 noch bis 1994 existieren durfte. Heute gilt der Arna als der Tiefpunkt der italienischen Automobil-Industrie. Eigentlich schade, denn so schlecht wie sein Ruf war das Auto ja dann eigentlich doch nicht. Doch ist der Ruf erst ruiniert...