50 Jahre Dacia - Von der Ostgurke zum konkurrenzfähigen Fahrzeughersteller
Veröffentlicht am 9.7.2018 von Dominik Noch keine Kommentare
Erst seit 2005 gibt es die Marke Dacia in (West-)Deutschland offiziell. Seit dieser Zeit machten die Rumänen eine gewaltige Entwicklung durch: vom Treppenwitz zum Auto für die Mitte der Gesellschaft.
Kommt ein Mann in die Werkstatt: "Hallo, ich hätte gerne ein paar neue Scheibenwischergummis für meinen Dacia."
Der Mechaniker überlegt und sagt dann: "Okay, fairer Tausch."
An diesem zugegeben recht lahmen Dreizeiler lässt sich erkennen, dass Dacia im aktuellen Pausenhof-Witze-Trend die Rolle übernommen hat, die bis vor 15 Jahren noch der Trabant inne hatte. Aber anders als beim ebenfalls sozialistischen Papp-Bruder ist das Billig-Image der Marke längst pure Absicht.
Denn dank kluger strategischer Schachzüge konnte der rumänische Autobauer auch nach dem Fall des eisernen Vorhangs noch fortbestehen. Doch von Anfang an:
1968: Dacia als Autobauer
Die Geschichte von Dacia beginnt 1952 als Zuliefer-Werk für LKW-Teile. Nach der Modernisierung und einer Kooperation mit Renault (die Charles de Gaulle und Ceausescu eingefädelt hatten) entstand hier durch französisch-rumänischer Freundschaft 1968 das erste "eigene" Auto Rumäniens - ein Lizenzbau des Renault 8 - nun bekannt als Dacia 1100.
Da für eine eigene Entwicklung keine Zeit geblieben war, griffen die Rumänen komplett auf französische Teile zurück. Das Auto wurde genaugenommen im Werk in Mioveni nur zusammengesetzt.
Ein Jahr später schwenkte die Produktion auf den grundsoliden Dacia 1300 um, der eigentlich ein Renault 12 war. Dieser blieb ganze 35 Jahre (!) im Programm und lief sogar noch bis ins Jahr 2004 fast unverändert vom Band, als der Vertrag mit Renault längst ausgelaufen war.
Verbreitung fand der Dacia 1300 als Limousine, Pickup und Kombi allerdings nur in Teilen des Ostblocks und der DDR, wo er als kommunistisch getarntes Westauto (Höchstgeschwindigkeit 144Km/h, 54 PS) sehr begehrt war. In Rumänien galt er aufgrund seiner millionenfachen Verbreitung und seiner Langlebigkeit als Volksauto.

Im letzten Facelift wurden dem 1300 fast alle Falten weggebügelt.

Aus der Krise zum Erfolg
Nach dem Ende des Ostblocks folgten die schwierigen Jahre für Dacia. Mit Hilfe von lockeren Kooperationen mit Renault und Peugeot versuchte man in den 90ern eigene Autos zu entwickeln und gegen die starke Konkurrenz aus dem Westen anzukommen. Das Ergebnis war der fürchterliche Dacia Nova, der ab 1995 bei den Händlern stand - ein unförmiges und unfassbar belangloses Derivat aus Peugeot 309 mit Renault-Antrieben.

Der Zweite Pfeil im Köcher war nicht minder erfolglos: Der Dacia 500, ein Kleinstwagen mit 500ccm und der Form eines Krankenrollstuhls, entsprach ebenfalls nicht dem Massengeschmack. Dazu ließ die Qualität in der Fertigung rapide nach.
Die Rettung vor der Jahrtausendwende
Gerade noch rechtzeitig fand man mit dem alten Verbündeten Renault im Jahr 1999 erneut einen starken Technologiepartner und verkauft den Franzosen eine Aktienmehrheit von 51 Prozent. Als "Quick-Fix" wurde der Nova mit modernern Motoren ausgestattet und in "SupeRNova" umbenannt. Doch auch der aufgepimpte Facelift-Nachfolger Solenza war für den Export nach Europa nicht attraktiv genug - trotz ABS, Klimaanlagen und elektischen Fensterhebern. Erst nach Investitionen von rund 500 Millionen Euro steigt die Qualität so weit, dass die Fahrzeuge ab 2005 auch in Deutschland angeboten werden.
Markteinführung in Deutschland
Hierzulande startete die Marke mit den Modellen Dacia Logan und Sandero. Zunächst noch belächelt, denn mit einem Grundpreis von nur 7.200 Euro war Dacia auf einen Schlag günstigster Anbieter von Neufahrzeugen. Der geringe Preis entstand vor allem aus der Verwendung von bereits entwickelten Renault-Teilen.
So basieren alle Dacia Modelle (bis heute) auf der Clio-Plattform, Motoren und Getriebe stammen ebenfalls aus dem Renault-Regal. ESP und Airbags sind anfangs nicht serienmäßig, genauso wie alles andere. In der Basis kommt der Logan mit unlackierten Plastikstoßfängern zu den Kunden. Dazu kommen Karosserien, die bewusst so gestaltet sind, dass sie mit wenig Aufwand gepresst und zusammengesetzt werden können.
Produziert wird dazu nach wie vor in Rumänien, was die Lohnkosten gering hält. Nicht zuletzt bei den Händlern wird gespart: Diese müssen ihre Verkaufsräume nicht kostenaufwendig umgestalten, sondern können die Fahrzeuge ohne Auflagen präsentieren.
So wird Dacia schon bald gesellschaftsfähig: Die kluge Marketing-Kampagne zum Anti-Status-Symbol trifft den Nerv der Zeit, in der Fahrzeuge immer weniger repräsentative Funktionen übernehmen, sondern einfach und günstig funktionieren sollen.
Dacia bringt keine neuen Modelle auf den Markt, sondern entwickelt die bestehenden ständig weiter. So erfüllt die Marke mit einfachen Mitteln und gutem Design das Grundbedürfnis nach Mobilität - und das bis heute sehr erfolgreich.